Junge Frauen durch Juju-Zauber gefügig gemacht

Menschenhandel
Junge Frauen durch Juju-Zauber gefügig gemacht
Verfahren gegen Menschenhandel fordern viel Engagement und Durchhaltevermögen.
Polizei Bochum

September 2016: Beamte führen eine gewöhnliche Bordellkontrolle durch. Dabei kontrollieren sie eine Prostituierte, die sich mit offensichtlich gefälschten Dokumenten ausweist. Laut eigenen Angaben ist die junge Frau 20 Jahre alt. Doch im weiteren Verlauf der Ermittlungen stellt sich heraus, dass sie gerade mal 16 Jahre alt ist. Die Jugendliche ist aussagebereit, wirkt verstört, aber auch hilfesuchend. Menschenhandel deutet sich an. Deshalb übernimmt jetzt die Dienststelle für Organisierte Kriminalität der Polizei Bochum das Ermittlungsverfahren.

 

Ermittlungen sind sehr aufwändig und teuer

Mithilfe der 16-jährigen stoßen die Ermittler der Ermittlungsgruppe auf den vermeintlichen Haupttäter. Telefonüberwachungen werden initiiert, tausende Gespräche in Pigdin-Englisch oder der Bini-Sprache ausgewertet. Die Dolmetscher-Kosten belaufen sich bald auf über 300.000 Euro, die zum Teil über das internationale Projekt ETUTU finanziert werden. Die Telefonate liefern der Ermittlungsgruppe das Profil des Hauptbeschuldigten, seinen Tages- und Wochenablauf. Montags kassiert er immer die Prostituierten ab - das erleichtert die Observation.

Die Bordelle des Haupttäters werden gezielt durchsucht. Die Ermittlungen ergeben, dass er mindestens vier nigerianische junge Frauen nach Europa eingeschleust und mindestens zehn weitere, sich bereits in Deutschland aufhaltende nigerianische Frauen der Zwangsprostitution zugeführt hat. Darunter sind drei Minderjährige. Auch zwei Vergewaltigungen und einen Schwangerschaftsabbruch weist die Ermittlungsgruppe nach.

 

Der „Juju-Zauber“

Fotos der Frauen wurden über WhatsApp dem Haupttäter zugesandt. Stimmte er einer Frau zu, folgte wohl einer der für die Ermittlungsgruppe skurrilsten Teile der Ermittlungen: Die Frauen wurden zu einem Priester des Dschudschu-Kults gebracht und dort mit einem „Juju-Zauber“ belegt. Erfahrungen mit „Juju“, einem spirituellen Glaubenssystem, das Bestandteil des Glaubens an Hexerei in Westafrika ist, waren bislang in Europa kaum vorhanden.

Der „Juju-Zauber“ sollte die Nigerianerinnen auf Gehorsam und die Organisation einschwören. Hierzu mussten sich die Frauen zunächst entkleiden. Schnittwunden wurden ihnen zugefügt und der Priester rief einen Geist. Dieser sollte dann durch die Schnittwunden in sie eindringen. Haare, Fuß- und Fingernägel wurden den Frauen entnommen und in einem Gefäß aufbewahrt. Dann mussten die Kandidatinnen ein Hühnerherz schlucken, Kolanüsse kauen und mit Alkoholrunterspülen. Mit einem Schwur wurden sie an die Schleuser und die Madame gebunden. Sollten die Frauen es wagen, den Schwur zu brechen, drohten ihnen gesundheitliche Nachteile und der Tod von Angehörigen. Ein Ritual, das nachhaltig Wirkung zeigte - nicht zuletzt aufgrund ihrer Sozialisation und des niedrigen Bildungsstandes.

 

Netzwerkpartner sind wichtig für Erfolg

Neben den verdeckten Ermittlungen und dem großen Engagement der Ermittlerinnen und Ermittler war die Einbindung von Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen und insbesondere von spezialisierten Opfer-Anwältinnen ausschlaggebende Erfolgsfaktoren. Nur so konnte die Aussagebereitschaft der Frauen, die in Nigeria von Mittätern mit falschen Versprechungen rekrutiert wurden, erhalten werden.

Die Ermittler der Ermittlungsgruppe haben mit viel Engagement und Durchhaltevermögen bewiesen, dass der Einsatz gegen Menschenhandel zwar sehr aufwändig aber auch erfolgreich sein kann. So konnte das Dunkelfeld im nigerianischen Menschenhandel erhellt werden. Der Hauptangeklagte erhielt eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten. Weitere Verfahrensbeteiligte erhielten Haftstrafen zwischen zwei und sechs Jahren. Die Zusammenarbeit mit dem BKA sowie dem LKA NRW erwiesen sich als weitere wichtige Garanten für das Gelingen des Verfahrens.

Der aufgedeckte Fall von Menschenhandel macht deutlich, wie wichtig die derzeit durch das NRW-Gleichstellungsministerium initiierte Kampagne gegen Zwangsprostitution ist.

weitere Informationen

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110